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200 Jahre Barmen


Barmer Freiräume vor zwei Jahrhunderten Im Jahr 2008 begeht Wuppertal ein Jubiläum: Vor 200 Jahren wurden Barmen die Stadtrechte verliehen. Heute ist Barmen mit Elberfeld das Herzstück der 1930 zu „Wuppertal“ vereinigten Agglomeration im Bergischen Land. Damals fasste die neue Stadt verstreute Siedlungen zu einem neuen Gemeinwesen zusammen. Öffentliche Parkanlagen gehörten 1808 noch lange nicht zu den Aufgaben der Stadtverwaltung. Doch Grünflächen haben schon eine Bedeutung. Was sich im zum Stadtzentrum erklärten Gemarke findet ist eher von untergeordneter Bedeutung: ein Morast am Marktplatz und der Kirchhof um die Alte reformierte Kirche. Noch 1863 bemerkt Langewiesche in seiner „Beschreibung der Doppelstadt Elberfeld und Barmen“: "Oeffentliche, städtische Parkanlagen hat Barmen bis jetzt nicht.“ (93) In Elberfeld dagegen ermöglicht bürgerschaftliches Engagement um den Wundarzt Diemel seit 1807 die Umwandlung eines wüsten Geländes auf der Hardt in eine öffentliche Promenade. Vergleichbares beginnen die Barmer erst 1864 mit den Barmer Anlagen. Berühmt wurden aber zwei andere Freiräume in Barmen: Der Terrassengarten der Familie Wuppermann galt als Hauptsehenswürdigkeit im ganzen Tal. Der private Garten war 1790 in vielen Stufen aufwendig gestaltet am Nordhang des Tals angelegt worden und widmete sich vor allem der Obstkultur. Nach langer Verfallsphase ist das private Refugium zu Beginn der 1970ger Jahre mit dem Bau einer Straßenkreuzung verschwunden. Der Felsen Hohenstein dagegen existiert noch und bereichert heute ein Wohnquartier mit der um ihn angelegten Parkanlage. Felsen Hohenstein Um den Hohenstein, eine Felsklippe aus Dolomit im Barmer Stadtquartier Rott (Abb. 3) ranken sich Sagen und Gebräuche. Der Ort oberhalb der ersten Siedlungsflächen mit seiner markanten Felsgruppe hatte schon lange eine besondere Anziehung auf die Talbewohner ausgeübt, bevor er als kleiner Park in der Bebauung verschwand. „Hier sei aber zunächst noch bemerkt, daß der erwähnte Hohe Stein nicht nur eine heidnische Opferstätte, sondern auch - wohl nach mittelalterlich christlichem Aberglauben - ein Schreibpult des Teufels gewesen sein soll, wie eine daneben stehende kleinere Feldkuppe ‚des Teufels Dintenfaß’ genannt wird. Gedenken wir am Hohen-Stein aber auch noch einer spätern schönern Zeit, etwa vor 70 - 80 Jahren, wo auf dieser Felsenhöhe von kirchlich gläubigen Gesangfreunden die Hauptfeste des Kirchenjahres mit christlichen Liedern angesungen zu werden pflegten. Die Stelle ist so romantisch, dass sie gewiß auch schon manchen Sänger (...) begeistert haben mag, wie wir uns wenigstens einer Dichtung aus dem eingegangenen Barmer Wochenblatte erinnern.“ (Langewiesche 1863, 95) Die mythische Verbundenheit mit der Umgebung eines nicht besonders großen Felssporns wandelt sich im 19. Jahrhundert. Der Hohenstein wird ein Aussichtspunkt. Barmen ist kaum zur Stadt erhoben worden (1808), da gilt der Blick vom Hohenstein auf das neue Gemeinwesen als eine Hauptattraktion des Ortes (Abb. 4). Die Bürger blicken auf ihre Stadt herab – mit Stolz. Die ins Visier genommene Stadtmitte ist gerade zum Zentrum verstreuter Siedlungen geworden, die sich im Osten des Wuppertals locker aneinanderreihen. Der Hohenstein ist ein beliebtes Ausflugsziel. Die Bürger verlassen ihre Stadt und schauen sie aus neuer Perspektive auf sie. Ein Spaziergang führt aus dem Tal auf die damals noch unbebaute Höhe, die sich steil von der Wupper den nördlichen Hang hinaufzieht (Abb. 4). Die Entfernung rückt den Betrachter vom Alltags- und Arbeitsleben ab, auf das er einen Blick zurück wirft. Diese Sicht zeigt Gewohntes anders, nämlich aus der Distanz und von oben. Auch bleibt manches unsichtbar, das das Leben in der Stadt prägt. Langewiesche vermerkt 1863: "Besonders über dem Hohenstein erscheint Barmen großartiger, als es wirklich ist, indem manche Zwischenräume von hier aus verdeckt sind." (93/4) Es ist ein Sonntagsblick, der die Kirche Gemarke in den Mittelpunkt stellt. Von der Bedeutung dieses Blicks kündet nicht zuletzt die häufige Abbildung des Hohensteins als Stich (Abb. 4), als Druck oder Postkarte (Abb. 5). Parkanlage Hohenstein Um 1900 ist die Bebauung schon die Hänge hinauf gewachsen. Am Hohenstein verbindet ein Fußweg das Tal mit den höher gelegenen Gärten. Als man dort Häuser baut, wird der Fels mit seiner Umgebung zu einem kleinen Park gestaltet. Für die Planung zeichnet der Gartenarchitekt Artur Stüting (1872 - 1927) aus Barmen verantwortlich. Der Entwurf greift die vorhandene Kreuzung zweier Wege auf, deren Erhaltung der Gartenarchitekt ausdrücklich als Ziel benennt. Dem Park kommt eine hohe Verbindungsqualität für das damals entstehende Quartier oberhalb des Hohensteins zu. Um die Kreuzung und Felsen herum gruppiert Stüting die Anlage. Der Abhang um den eigentlichen Felsen ist steil und weitgehend unbewachsen, das nackte Gestein guckt an vielen Stellen aus der Erde hervor(Abb. 6). Bevor hier gepflanzt werden kann, muss der Boden bereitet werden. Stüting plant Felsmaterial abzutragen und den Hang umzuformen. „Nach speziellen Berechnungen waren ca. 1610 cbm Erde zu bewegen. Hiervon sind ca. 1174 cbm abzutragen, was hier und da ohne Anwendung von Dynamit bei dem felsigen Terrain wohl nicht möglich ist. Ungefähr 436 cbm, mussten wieder an einigen Stellen verteilt werden (s. Horizontalkurven-Plan), zur Herstellung einer besonderen Flächenschönheitslinie waren ca. 350 cbm Erde erforderlich, die restierenden 388 cbm müssten durch Handkarren zur Bruderstraße gefahren ev. zur Anschüttung der an dieser Straße vorbeiführenden Mauer benutzt werden.“ (Stüting 1900, 65) Mit den gewonnenen Steinen befestigt er Böschungen und Wegeränder (Abb. 5). Vor allem die Führung der Wege erforderte in dem steilen Gelände sorgfältige Niveauberechnungen, um „bei einer für das stark coupierte Terrain noch zuläßlichen Steigung dem Spaziergänger“ eine bequeme Benutzung zu ermöglichen (Stüting 1900, 64; Abb. 7). In einem Aufsatz räumt Stüting ein, dass sich nicht alle Wege, die er in seinem Entwurf vorsieht, realisieren lassen. Nach intensiver Bodenaufbereitung, um auch Bäume und Sträucher pflanzen zu können, steht „die bestmögliche Benutzung der das Terrain verschönernden Steinpartien“ im Mittelpunkt der Gestaltung. „Die auf dem Terrain vorhandenen Steinpartien sind alle beibehalten worden, können aber noch hier und da etwas verbessert werden.“ (Stüting 1900, 64) Der Hohenstein und weitere aus dem Boden herausragenden Felsen werden gezielt in Szene gesetzt. So sollen die Felsformationen von den Wegen und Sitzplätzen aus zu sehen sein. „Die Bepflanzung dieser Steingruppen resp. nächster Umgebung soll mit schönen widerstandsfähigen alpinen Gehölzen und einfachen Stauden vorgenommen werden.“ (Stüting 1900, 64) Der Dolomitfels selbst steht in der südwestlichen Ecke der Anlage, wo er den Eingang imposant überragt. Zum anderen gilt die Aufmerksamkeit den Aussichten. Stüting wünscht sich eine „nicht zu massige Baumpflanzung, um die verschiedenen Blicke, Durchsichten etc. nicht zu stören“ (Stüting 1900, 64). Von den Wegen aus sollen sich „hübsche Aussichten auf die Stadt“ eröffnen (Stüting 1900, 64). Mehrere Sitzplätze laden im Entwurf zum Aufenthalt mit Aussicht ein. Einer befindet sich direkt unterhalb des Hohensteins am westlichen Aufgang. Er hat die Form einer Exedra. Oberhalb an einem kurzen Stichweg gelegen sieht der Planer einen kleinen runden Platz vor, an dem eine Laube eingetragen ist. Von diesem überdachten Sitz gilt der Blick dem Hohenstein aus der Nähe. Einen Platz mit kleeblattförmigen Ausbuchtungen plant er im unteren Bereich an der Bruderstraße. Alle drei Sitzplätze sind vermutlich nicht angelegt worden. Bestand hat allein ein vierter Platz, der den Park mit der Tannenstraße verbinden sollte. Der Entwurf bezeichnet ihn als Plateau und sieht jeweils seitlich zwei Sitzplätze an dem ihn durchquerenden Spazierweg vor. Ungefähr am höchsten Punkt errichtet hat er eine geometrisch verspielte Grundform, die sich bastionsartig aus dem Hang herausschiebt. Parkanlage und Stadt liegen hier zu Füßen des Spaziergängers. In der Nahsicht bieten flachere Felspartien, die an den Platz angrenzen eine interessante Aufsicht. Grundsätzlich sieht Stüting für die Bepflanzung des Parks einen Wechsel von Baum- und Strauchgruppen mit niedrig gehaltenen Flächen vor. Sein Aufsatz enthält Listen der Pflanzen, die der Gartenarchitekt vorschlägt. Grundlage der Pflanzenauswahl ist die vorgefundene steinige Bodenqualität und das kühle Wuppertaler Klima. Als Laubbäume wählt er Buche, Robinie, Linde, Ulme, Ahorn und Eiche in verschiedenen Unterarten aus. Koniferen und Blühsträucher ergänzen sie. Zwischen den Pflanzinseln sieht Stüting Rasen vor, für den er in seinem Aufsatz auch die Samenmischung angibt (Stüting 1900, 66). Stütings Spuren prägen bis heute den Park, wenn auch Häuser und Bäume die Aussicht inzwischen einschränken. Der untere Teil des geplanten Rundweges ist nicht gebaut worden. Der Platz an der Tannenstraße besteht, allerdings in veränderter Form. Das Luftbild von 1928 lässt erkennen, dass eine vereinfachte formale Formgebung gebaut wurde. Heute ist sie allerdings kaum mehr ablesbar. Auch die geplante ebenerdige Anbindung an die Tannenstraße findet sich nicht. Ob sie bestanden hat, muss derzeit offen bleiben, die auf der anderen Straßenseite entstandene Bebauung scheint jedoch auf die Position des Sitzplatzes orientiert zu sein. Neben den Wegen bestehen vor allem die Mauern und Einfassungen noch, die das Gartenamt derzeit wieder sichtbar macht. Die Begrenzung zur Bogenstraße ist aus unregelmäßig geformter Sandsteinen gemauert, die mit glatten Platten abgedeckt sind. Zierelementen aus dunklem Lava-Basalt rhythmisieren die Mauer, die vollständig mir Erde hinterfüllt ist. Aufwendig bearbeitete Pfosten markieren die Eingänge (Abb. 9). An den Wegeinfassungen und Böschungen ist das örtliche Gestein unvermauert aufgeschichtet. Die Parkanlage ist heute größer als auf Stütings Plan dargestellt und umfasst 4.450 m². Ein zweiter Sitzplatz, der vermutlich nach dem zweiten Weltkrieg hinzugefügt worden ist, verbindet sie mit dem so genannten Zickzack-Weg. Die unten und oben an die Grünanlage grenzenden Straßen verbindet dieser Fußweg, der den großen Höhenunterschied als Rampe mit mehrfacher Richtungsänderung überwindet. Auch wenn er jahrelang unter Bewuchs und hinter Sträuchern versteckt war, der Hohenstein steht noch an Ort und Stelle (Abb. 10). Längst ist er als geologisches Naturdenkmal unter Schutz gestellt und als Station in den so genannten Geopfad eingebunden. Seitdem er wieder freigestellt wurde, kommt seine charakteristische Form wieder zur Geltung. Vor allem bei der Jugend ist seine Beliebtheit ungebrochen. Sie geht auf Tuchfühlung mit dem rohen Stein und besteigen ihn. Auf einen Sprung verlassen die kühnen Kletterer den Alltag und mögen sich beim Blick über die Welt einsam und erhaben fühlen – zumindest soweit das in Barmen möglich ist (Abb. 11). Dass Schilder das Klettern verbieten wird, mag zusätzlichen Reiz ausüben, zumindest hat es ihn nicht vermindert. Gartenarchitekt Arthur Stüting Bei Historikern besitzt der Barmer Ludwig Stüting großes Renommee als Hofphotographen. Weniger bekannt ist, dass sein Sohn einer der ersten Gartenarchitekten in Barmen war. Er wirkte nicht nur dort, sondern kam dort 1872 zur Welt. Über seine Ausbildung ist nur bekannt, dass er sie als Gartentechniker abschließt. 1897 beruft ihn die Gärtner-Lehranstalt Köstritz (Thüringen) als Gartenbaulehrer (Zeitschrift für Gartenbau und Gartenkunst 1897, Jg. 15, Nr. 37, 224). 1900 wird Stüting dort zum Garteninspektor ernannt (Die Gartenkunst 2.2, 1900, 40). In Köstritz nimmt Stüting eine rege Veröffentlichungstätigkeit auf. In der „Landschaftsgärtnerei und Gartentechnik“, in der „Zeitschrift für Gartenbau und Gartenkunst“ sowie in „Die Gartenkunst“ schreibt er zahlreiche Aufsätze, die sich vor allem technischen Fragen und der Pflanzenverwendung widmen (1901 - 1904). 1903 erscheint sein Buch „Das Planzeichnen für den angehenden Landschaftsgärtner“, das 1909 sogar eine zweite Auflage erfährt und mehrfach besprochen wird (Blau 1908, E.C. 1903, M.H. 1902, M.H. 1909). Stütings Buch gilt als solides Handwerk, weniger als künstlerischer Wurf (Wimmer 1993, 13/15). Bald macht Stüting auch durch Projekte von sich reden. Beim Wettbewerb für den König Albert-Park in Markranstädt belegt er den 2. Platz (Die Gartenwelt 8.14, 1904). Bei der Internationalen Kunst- und Große Gartenbau-Ausstellung zu Düsseldorf stellt er den Entwurf für einen modernen Villengarten aus (Die Gartenkunst 6.6, 1904, 112-114). Schließlich macht sich Stüting selbständig und lässt sich 1909 in Barmen (Die Gartenwelt 13.7, 1909, 84). In einem Vorgarten-Wettbewerb in Barmen tritt Stüting als 1913 Preisrichter auf (Die Gartenwelt 17.18, 1913). 1914 legt er eine Planung für den Ehrenfriedhof in Ohligs vor, eine jener Anlagen, die zu Beginn des ersten Weltkriegs gefallene Soldaten zu Helden zu erheben suchten (Die Gartenwelt 18.51, 1914, 623 - 624). Die Firma Arthur Stüting entwirft und baut Gärten, Parkanlagen und Friedhöfe, befasst sich jedoch auch mit Gartenpflege. Außerdem gehören Pflanzenhandel und eine Blumen- und Kranzbinderei zum Geschäftsfeld. Max Straesser, der als erste Techniker im Büro Stüting arbeitet, wird 1914 Stadtgärtner in Remscheid (Die Gartenkunst 27.2 (Beil.), 1914, 6). In der Fachwelt ist Arthur Stüting eine geachtete Person und wirkt in der berufsständischen Organisation aktiv mit. Bereits 1897 tritt er in den Verein deutscher Gartenkünstler ein, später ist er Mitglied im Bund deutscher Gartenarchitekten. 1927 gedenkt man seiner auf der 14. Jahresversammlung in Köln anlässlich seines Todes. Die Vereinigung der selbständigen Landschaftsgärtner im Bergischen Lande e.V. veröffentlicht ebenso eine Todesanzeige wie der Verband Deutscher Blumengeschäfts-Inhaber Bezirksgruppe Bergisch Land. Verschiedene lokale Vereine hatte er selbst mit ins Leben gerufen, so den Gartenbauverein Barmen und den Verein Bergischer Landschaftsgärtner, dem er bis 1927 vorsaß. Projekte Stütings in Barmen Den Parkanlagen seiner Heimatstadt wendet sich Stüting früh zu. Bereits 1898 stellt er die Anlagen des Barmer Verschönerungsvereins in einem zweiteiligen Artikel der Fachöffentlichkeit vor. An der Erweiterung der Barmer Anlage im Fischertal ist er selbst beteiligt (Conrads 1996, 46). Sein offenbar ebenfalls ausgeführtes Projekt für den Hohenstein beschreibt er in einem Aufsatz in „Die Gartenkunst“ (1900). Wie in seinem Buch zeigt sich Stüting hier als Vertreter des historistischen Stils, wenn er geometrische Platzformen mit geschlängelter Wegeführung in schwierigem Gelände umzusetzen weiß. Ausschlaggebend für die Eröffnung seines Büros in Barmen ist sicher der Auftrag, den er für die Gartenanlagen der neuen Barmer Krankenanstalten bekommt (Die Gartenwelt 13.34, 1909, 408). Mit seinem Entwurf für die im damals modernen Pavillonsystem errichtete Anlage gelingt es Stüting, Anschluss an das neue Stilempfinden zu bekommen. Im Geiste des Architekturgartens löst er sich von Teppichbeeten und gekünstelten Wegeführungen. Die Gartenanlage passt Stüting der barockisierenden Gesamtanlage des Krankenhauses an (Abb. 14 und 15). Die Gebäude gruppieren sich entlang einer großräumigen Achse, die mit dem Vorplatz beginnt und sich über den Eingangsbau bis zum Kopfbau erstreckt. Beiderseits der Achse reihen sich die je zwei Pavillontrakte auf, die durch Gänge miteinander verbunden sind. Wesentliche Teile der Achse bleiben unbebaut und bilden den für Patienten und Besucher nutzbaren Freiraum, der zugleich Erschließungs- und Abstandsfunktion für die Gebäude besitzt. Das Gesamtkonzept der Anlage folgt in Symmetrie und Repräsentationswillen dem barocken Schlossbau. Nimmt dort das Schloss den zentralen Platz ein, so übernimmt in den Barmer Krankenanstalten das Privatpatientengebäude diese Stelle. Dort, wo sich vor dem Schloss ein Ehrenhof erstreckt, breitet Stüting einen grünen Teppich aus. Zwar sind die Privatpatienten das Zentrum, doch die Mitte bildet das Grün. Der so genannte Mittelgarten überzeugt durch klare Gestaltung und feine Geländemodulierung. Die lang gestreckte Rasenfläche ist von einem Weg umgeben, der die Verbindung zu den Bettenhäusern herstellt, aber auch einen Rundgang ermöglicht. An den Endpunkten setzen Wasserbecken in geometrischen Formen Akzente. Der Eintrittssituation des Besuchers, der das Torhaus durchschritten hat, ist ein quadratisches Becken zugeordnet. Der Rasen ringsum ist abgesenkt. Das Becken vor dem Privatpatientengebäude dagegen ist rund. Der Weg führt daher sowohl zu diesem Trakt hin als auch an ihm vorbei. Das Gebäude schiebt sich mit einem halbrunden Vorbau über den Weg, bzw. führt umgekehrt der Weg durch den Vorbau, wodurch man das Gebäude streift, ohne es wirklich zu betreten. Zum Gebäude ist das Geländeniveau leicht angehoben, so dass das Haus aus der Entfernung an Bedeutung gewinnt, wie der Besucher am Kopfbau aus etwas erhöhter Position über das Wasser zum Torhaus blickt (Abb. 16). Den Rasen unterbrechen einige Eibenwürfel und quadratische Beete. Den Weg begleiten Rosskastanien, eine Anfang des 20. Jhs. gern verwendete Baumart. Stüting integriert jedoch auch einen alten Baum, der zu der Hofschaft gehörte, auf deren Grund und Boden die Krankenanstalt errichtet wurde. Bäume und Eibenhecken strukturieren weitere Gärten zwischen den Pavillonbauten. Die Gesamtanlage ist von einer Baumreihe eingefasst. Leider wurde der Mittelgarten vor einigen Jahren durch einem Neubau zerschnitten, der auf das Konzept des Komplexes in keiner Weise eingeht. So ist von dieser Anlage nicht mehr erhalten, als der Vorgarten, ein runder von einer Eibenhecke eingefasster Sitzplatz mit Treppenanlage (Abb. 15). Sie verbindet das Klinikum mit dem angrenzenden Wohnquartier aus der gleichen Entstehungszeit und öffnet die in sich abgeschlossene Anstalt zur Stadt. An Artur Stüting erinnert sicher auch die Magnolie, die vor dem denkmalgeschützten Eingangbau zu stattlicher Größe herangewachsen ist (Abb. 17). Mit Kriegsbeginn entdeckt der Gartenarchitekt eine neue Aufgabe, den Kleingarten. Aus der Not der Lebensmittelknappheit heraus setzt sich Stüting für Selbstversorgergärten ein. Er engagiert sich dafür, dass der Bevölkerung Land zur Anlage von Gärten bereitstellt wird und begründet die Kleingartenbewegung in Wuppertal. Um die Bewirtschaft der Gärten zu befördern, organisiert er mitten im Krieg eine Gartenbauausstellung auf der Hardt (Abb. 18), an der sich verschiedene Firmen aus dem Wuppertal beteiligen. Als Stüting am 9. Mai 1927 im Alter von 55 Jahren überraschend an einem Gehirnschlag stirbt, betrauert ihn nicht nur seine Ehefrau Elly Stüting geb. Job. Der Oberbürgermeister Barmens widmet ihm einen Nachruf, der Stütings Verdienste um die Kleingartenbewegung seiner Heimatstadt würdigt. Schon zu Beginn des 1. Weltkrieges, als Staat und Stadt noch nicht daran dachten, habe er „die Notwendigkeit intensiver Bodennutzung zur Erleichterung der Ernährung der Bevölkerung erkannt. Seinem Drängen nachkommend, erfolgte alsbald die planmäßige Hergabe von privatem und städtischem Grund und Boden zu Gartenbauzwecken.“ (Generalanzeiger 10.5.1927) Der Name des Verstorbenen werde in der Kleingartenbewegung und beim städtischen Kleingartenamt unvergessen bleiben. Der Barmer Anzeiger bezeichnet ihn als 10.5.1927). Wie bekannt und geschätzt der Gartenarchitekt zu seiner Zeit in Barmen ist, davon zeugt noch heute der „Stütingsberg“ an der Hatzfelder Stadtgrenze, der schon zu seinen Lebzeiten nach ihm benannte wird. Da sich bislang kein Nachlass oder Gestaltungspläne gefunden haben, stützt sich die Kenntnis seines Werkes derzeit vor allem auf seine Veröffentlichungen. Eine weitere Erforschung seines Wirkens wäre für die Gartengeschichte Wuppertals von großer Bedeutung, ist Stüting doch bislang der einzige in Wuppertal tätig gewesene Gartenarchitekt, von dem zumindest einige Nachrichten überliefert sind. Literaturangaben Blau, Georg 1908: Beantwortung der Frage 559: Welcher Leser kann mir ein Buch zum Selbsterlernen des Planzeichnens empfehlen? Ist die Anleitung zum Planzeichnen von Fritz Encke hier zu geeignet? In: Die Gartenwelt 12.61, 730 E.C. [Clemen, Emil] 1903: Bücherschau: Das Planzeichnen für den angehenden Landschaftsgärtner. In: Die Gartenkunst 5.3, 54 Conrads, Klaus-Günther 1996, Der Barmer Verschönerungsverein und seine "Barmer Anlagen". In: de Bruyn-Ouboter, H. J. (Hrsg.), Barmer Südstadt. Wuppertal, 38-49 Der Bergische Städteatlas 2004: Die Bergischer Region - gestern und heute. Remscheid – Solingen – Wuppertal. DVD M.H. [Hesdörffer, Max] 1902: Bücherschau: Das Planzeichnen für den angehenden Landschaftsgärtner. In: Die Gartenwelt 7.24, 288 M.H. [Hesdörffer, Max] 1909: Bücherschau: Das Planzeichnen für den Landschaftsgärtner. In: Die Gartenwelt 13.31, 371 Langewiesche, W. (Hrsg.) 1863: Elberfeld und Barmen. Beschreibung dieser Doppelstadt. Barmen Pogt, H. 1998²: Historische Ansichten aus dem Wuppertal. Wuppertal Schöring, K. 1987: Wuppertal in Bildern von damals bis heute. Horb am Neckar Stüting, Arthur 1898: Die Anlagen des Verschönerungs-Vereins zu Barmen. In: Zeitschrift für Gartenbau und Gartenkunst Jg. 16, H. 30, 177, 179 und H. 31, 183 - 184 Stüting, Arthur 1900: Öffentliche Anlagen auf hügeligem Terrain: Erläuterungsbericht zur Umgestaltung des Hohensteines und dessen nächster Umgebung zu Barmen. In: Die Gartenkunst 2.4, 64-66, 67, 69 Stüting, Arthur 1901: Entwürfe zu modernen Gartenanlagen. In: Landschaftsgärtnerei und Gartentechnik 3, 151 - 152, 160 - 163, 178 - 180 Stüting, Arthur 1901: Springbrunnen-Anlagen. In: Landschaftsgärtnerei und Gartentechnik 3, 212 - 276 Stüting, Arthur 1901: Anwendung und Herstellung von Quellen und Wasserfällen. In: Landschaftsgärtnerei und Gartentechnik 3, 304 - 306 Stüting 1902: Zur Anwendung von Obstgehölzen in Parkanlagen. In: Die Gartenkunst 4.1, 8 - 9 Stüting 1902: Acer platanoides Reitenbachii hort. als Straßenbaum. In: Die Gartenkunst 4.3, 52 Stüting, A. 1902: Was kosten Erdarbeiten? In: Die Gartenkunst 4.6, 111-113 Stüting, A. 1903: Die Gartenkunst im Städtebau: Die verschiedenen Arten öffentlicher Stadtplätze. In: Die Gartenkunst 5.7, 114-117 Stüting, A. 1903, ²1909: Das Planzeichnen für den angehenden Landschaftsgärtner. Leipzig: Hugo Voigt Stüting, Arthur 1904: Über Gruppengestaltung und Verwendung der Gehölze in Gärten und Parks. In: Die Gartenwelt 9.11, 123-126 Stüting, A. 1904: Vorgärten. In: Die Gartenwelt 9.2, 15-16 Stüting, Arthur 1904: [Berichtigung] In: Die Gartenkunst 4, 7, 129 Wimmer, Alexander Clemens 1993: Geschichte des gärtnerischen Planzeichnens anhand von Lehrbüchern in der Gartenbaubücherei. In: Zandera Bd. 8, Nr. 1, 1-24 PAGE 1


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